Focus - Das moderne Nachrichtenmagazin (DEU) 04.11.1996
Niedrige Instinkte / Abgründe der Liebe und Triebe:
James Foleys schwarzer Thriller "Fear" mit Marky Mark
Harald Pauli
Angst beherrscht Amerikas Filme, Hollywood
mutiert momentan mehr und mehr zur Alptraumfabrik. Zum Ende des Jahrtausends wird die allseitige Bedrohung beschworen, im
großen durch Außerirdische ("ID 4") und Katastrophen ("Twister"), im kleinen durch Korruption und Komplott in Kirche und Politik,
Polizei und Justiz ("Primal Fear", "City Hall"). Überall wuchert das Unbehagen gegenüber Washington und seinen Bundesbehörden,
Verschwörungstheorien treiben abstruse Blüten.
Mit der Angst spielt auch "Fear", wie der Titel
schon sagt. Aber dieser Thriller reduziert, wie es der Titel in seiner Knappheit auch signalisiert, das Gefühl auf seine elementare
Erscheinung: Horror pur. Keine gesellschaftspolitischen Implikationen, kein modisches Tamtam - hier wird angenehm unambitioniert
nur an die Urinstinkte appelliert.
Vertrauenssache: So wie sich der Architekt Steve
Walker (William Petersen) darauf verläßt, was ihm seine Tochter Nicole sagt, so läßt der Film den Zuschauer zunächst im guten
Glauben an das, was man sieht. Ein Idyll: Papa, Mama, Kinder und Wau-wau, in einer superben Villa am Meer.
Alles in bester Ordnung also, wäre Nicole nicht
in der Pubertät und hätte mehr den Freund statt die Familie im Sinn - und somit auch weniger die Wahrheit. Das macht die Fallhöhe
von "Fear" aus, die Abgründe des Bösen, die eine Notlüge in die Alltagsnormalität reißen kann.
Denn David, der coole Lover aus der Billard-Bar,
ist ein ganz anderes Kaliber als Nicoles nette High-School-Kids. Anfangs irritiert nur seine krankhaft-brutale Eifersucht,
und bis es den Beteiligten klar wird, daß es sich bei David um eine ganz und gar mörderische Heimsuchung handelt, ist es zu
spät.
James Foley, eine der schwärzesten Seelen unter
Hollywoods jüngeren Regisseuren, weiß auch hier wieder, Suspense und Romantik in der Schwebe zu halten. In dem weißen Rapper
und Unterhosen-Model Marky Mark alias Mark Wahlberg hat er dabei den perfekten Protagonisten. Der ist einfach teuflisch gut
im Zwielicht von unbedarftem Charme und perfidem Trieb.