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epd Film (DEU) 01.07.2002
Seite 42-43 mit Abb. RUFMORD - JENSEITS DER MORAL / Ein Politthriller übers Fressen und Gefressenwerden
Dietmar Kanthak
Der "Dude" wird Präsident. Jeff Bridges
verkörpert in RUFMORD - JENSEITS DER MORAL den ersten Mann der Weltmacht USA; aber irgendwie ist er auch der freundliche Freak
aus THE BIG LEBOWSKI geblieben. Bridges sorgt für die entspannt-humorige Note eines Films, der brisante Themen aus dem politischen
Milieu behandelt.
Erstmals soll eine Frau Vizepräsidentin der USA
werden. Jackson Evans (Bridges), ein Demokrat a la Clinton, steht kurz vor dem Ende seiner zweiten Amtszeit und will sich
mit einer quasi feministischen Geste verabschieden - und in die Geschichtsbücher einschreiben. Evans favorisiert Senatorin
Laine Hanson (Joan Allen), eine aufgeklärte, selbstbewusste, attraktive und verheiratete Frau und Mutter, die aus ihren liberalen
Ansichten zu Themen wie Abtreibung, Religion und vorehelichem Sex keinen Hehl macht. Kurz gesagt: Sie ist ein rotes Tuch für
orthodoxe Republikaner.
Der republikanische Kongressabgeordnete Sheldon
"Shelly" Runyon beispielsweise hat einiges gegen die Wahl einzuwenden: "Laine Hanson", sagt er, "ist der Krebs des Liberalismus."
Gary Oldman spielt den konservativen Politiker als fanatischen, virtuosen Strippenzieher. In einer der stärksten Szenen des
Films trifft er sich mit der Senatorin zum Essen - und vernichtet dabei sein Steak mit einem Furor, als wollte er die Frau
gleich mit verschlingen.
THE CONTENDER, wie der von Regisseur Rod Lurie
geschriebene Film im Original heißt, erzählt die alte Geschichte vom Fressen und Gefressenwerden. Runyon, der einem Komitee
vorsitzt, dass die "Eignung" der Kandidatin für den Posten prüfen soll, lässt sozusagen die Hunde los. Sie schnüffeln im Privatleben
der Senatorin und fördern Dokumente zutage, die belegen könnten, dass Hanson als Studentin einmal an einer Gruppensex-Party
teilgenommen hat. Luries Film ist parteiisch, demokratisch - aber nicht ganz einseitig. Beide Seiten, Demokraten wie Republikaner,
schicken Straßenkämpfer in die Schlacht, denen kein Trick zu schmutzig wäre. Auch der joviale Präsident weiß auszuteilen:
Seinem Gast, dem jungen, ehrgeizigen, von Runyon beeinflussten Demokraten Reginald Webster (Christian Slater), bietet er ein
Haifisch-Sandwich an - der Snack als Symbol und Drohung.
Die Konfrontationen zwischen Hanson und Runyon
vor dem Untersuchungsausschuss sind der Stoff, aus dem großes Hollywood-Kino entsteht. So auch hier. Joan Allen, die kategorisch
ablehnt, sich auf das Niveau der Befragungen einzulassen ("Unter meiner Würde"), vereint in ihrer faszinierenden Darstellung
eisernen Willen, Verletzlichkeit und Sinnlichkeit. Solche Frauen gehören in die Politik. Gary Oldman gibt einen Widergänger
des totalitären Gesinnungs-Schnüfflers McCarthy; gleichzeitig erlaubt er Einblicke ins Seelenleben eines Mannes, der einen
anderen Weg hätte gehen können. Auch die anderen Schauspieler können glänzen - Bridges, Slater und Sam Elliott als Kermit
Newman, die rechte und harte Hand des Präsidenten. Nur was die letzten Minuten des Machtspiels anbetrifft, sind Zweifel erlaubt.
Bridges hält eine Rede, deren Pathos auch ohne die Musik Larry Groupes kaum zu ertragen wäre. "Heilen Sie diese Nation", muss
er unter anderem sagen; Tränen im Publikum sind da programmiert. Hier imitiert das Kino die traurige Wirklichkeit. Auch Clinton
konnte so etwas. Start: 27.6. (D, A).
THE CONTENDER USA/Frankreich 2000. R und B: Rod
Lurie. P: Marc Frydman, Douglas Urbanski, Willi Baer, James Spies. K: Denis Maloney. Sch: Michael Jablow. M: Larry Groupe.
A: Alexander Hammond. Ko: Matthew Jacobsen. Pg: DreamWorks/Cinerenta/Cinecontender/Battleground. V: Helkon. L: 126 Min. FBW:
besonders wertvoll. Da: Joan Allen (Laine Hanson), Gary Oldman (Shelly Runyon), Jeff Bridges (Präsident Jackson Evans), Christian
Slater (Reginald Webster), Sam Elliott (Kermit Newman), William Petersen (Jack Hathaway).
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Süddeutsche Zeitung (DEU) 26.06.2002
Unter Haien
Lehrstück für politische
Moralisten - Jeff Bridges im Film "Rufmord - The Contender"
Der Schreiber Bartleby kommt einem
in den Sinn, wenn man diesem Film folgt, immer wieder, es steckt eine kräftige Prise seines "I would prefer not to" darin
- jenes eigenartigen widerspenstigen Satzes, mit dem Herman Melvilles Held zur Legende wurde, als viel geliebter Trotzkopf
der Postmoderne.
Ein Held natürlich, der mit seinem Verhalten
selbst den Heldenstatus in Frage stellt, und genau darum geht es auch in diesem Film, der uns die Geheimnisse von Washington
offenbart, der Politik genauer gesagt, die dort gemacht wird. Ein Held bemüht sich zum Beispiel der Gouverneur Hathaway zu
werden, als er, in der ersten Szene, eine Frau retten will, die mit ihrem Wagen in einen See stürzt. Die Aktion geht schief,
und das in jeder Hinsicht. Die Frau kann Hathaway nur noch tot aus dem Wasser ziehen, und weil das allzu heftig an Chappaquiddick
erinnert - Senator Ted Kennedys Unfall im Jahr 1969 -, ist Hathaway aus dem Rennen um die Vizepräsidentschaft. Der Präsident
- Jackson Evans, gespielt von Jeff Bridges - kann seinen Wunschkandidaten ins Spiel bringen - die Senatorin Laine Hanson,
Ohio, gespielt von Joan Allen. Auf Herz und Nieren wird sie nun geprüft, vom Komitee des Repräsentantenhauses, und vor allem
auf ihr Sexualleben, vom Vorsitzenden, Senator Runyon (Gary Oldman). Er bringt Fotos daher von einer Studentenfete, auf der
ein Mädchen oral zwei Jungs bedient. Ob es sich um die Senatorin handelt bei dieser Studentin, will er wissen. Dass ihr privates,
ihr sexuelles Leben ihn und die Öffentlichkeit nichts angeht, kontert die Senatorin. Ein Fall von sexuellem McCarthyismus,
und bald geht es auch noch um Fragen wie Abtreibung und eheliche Treue.
Es ist nicht Rebellion, die hier zum Ausdruck
kommt, eher eine amerikanische Form der Renitenz, der Resistenz. Ein Widerstand, der sich in Haltung eher formt als in einzelnen
Aktionen. Kurz darauf treffen sich die beiden Gegenspieler in einem Restaurant. Hanson hat sich verspätet, und Runyon ist
bereits am Essen, er schnippelt an seinem Porterhouse Steak herum, mit einer Leidenschaft, wie man sie aus Lubitsch- und Hitchcockfilmen
kennt, und versucht die Kollegin zu ebensolchem Tun zu bewegen. Die Senatorin aber widersetzt sich seinem Drängen, besteht
auf Penne und verlässt schließlich, weil die Meinungsdifferenzen zu groß sind, vorzeitig den Tisch.
Einen ähnlichen Widerstreit gibt es im
Weißen Haus, den täglichen Kampf des Präsidenten mit seinem unsichtbaren Küchenchef, der durch keine spontane Bestellung in
Verlegenheit zu bringen ist - Coq au vin, ein Haifisch- Sandwich -, der aber Probleme hat mit einem Münsterkäsesandwich. Jeff
Bridges genießt es, sich als der Gourmet unter den Hollywoodpräsidenten zu präsentieren, und lässt dabei Travolta, in "Primary
Colors", oder Gene Hackman, in "Absolute Power", fast altbacken aussehen. Selbst die Erinnerung an Robert Redford blasst ein
wenig ab, der als Bill McKay der Kandidat bislang den Leinwandliberalismus verkörpert hatte - mit Redford hat der Regisseur
Rod Lurie im vorigen Jahr den Film "The Last Castle" gemacht.
Politik ist Sport in Washington, und in
diesem Sinne stellt der Film seine Vertrauensfrage. Vertrauen kann nur funktionieren, wenn es Ungewissheit gibt, einen blinden
Fleck, der nicht verschwinden kann im Umgang mit den anderen. Und um den es immer wieder geht, wenn das Kino seine Dialektik
entwickelt von Sein und Schein, in der die Oberfläche mehr zählt als die Charaktertiefe.
Auch Politik hat mit Charakter natürlich
wenig zu tun, sehr viel dagegen mit Professionalität, das macht vor allem Jeff Bridges sichtbar, der meistens ziemlich entspannt
und locker ist. Und dessen Haifischlächeln dabei nie verhehlt, dass er kräftig zuschnappen wird, wenn es sein muss. Er macht
seine Politik unter Einsatz aller rhetorischer und manipulativer Tricks, aber er traut sich Spaß daran zu haben. Der Film
ist ein Produkt der acht Clinton- Jahre, und erklärt den liberalen Manierismus zum Konzept. Das hat dem Regisseur den Vorwurf
der Naivität, der Schamlosigkeit eingebracht - er hat den Film "unseren Töchtern" gewidmet! Aber sollten nicht - Spielberg
hin, Capra her - alle, die gezwungen sind Schröder oder Bush zu wählen, glücklich sein für zwei Stunden mit Bridges for President?
Erst am Ende hat Lurie dann doch die Nerven verloren. Da hocken der Präsident und seine Senatorin auf dem Rasen vor dem Weißen
Haus und sie erzählt ihm, wie das wirklich war in der Studentenzeit - was diesen Film zu dem macht, was der Philosoph Stanley
Cavell comedy of remarriage nannte. Aber das Vertrauen hat sein stärkstes Moment verloren, das Nichtwissen. Und der Film hat
seine Figuren verkauft an die Intrige.
FRITZ GÖTTLER
THE CONTENDER, USA 2000 - Regie, Buch:
Rod Lurie. Kamera: Denis Maloney. Musik: Larry Groupé. Schnitt: Michael Jablow. Mit: Jeff Bridges, Joan Allen, Gary Oldman,
Christian Slater, William Petersen, Philip Baker Hall, Saul Rubinek. Helkon/Buena Vista, 126 Min.
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Jorja Fox & William Petersen sind Sara und Grissom in der Original-CSI-Serie. Sie stehen im
Mittelpunkt meiner Seite.
Viel Spaß !
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